Unsere Grundsätze
Wir sind eine Vernetzung von Aktivist:innen aus dem sozialistischen Jugendverband linksjugend ['solid], die sich auf Grundlage einer gemeinsamen Grundausrichtung über Theorie und Praxis austauschen und an den Diskussionen über die strategische Orientierung des Verbands teilhaben wollen. Dadurch, uns ein Grundsatzpapier und eine formelle Struktur zu nehmen, wollen wir Debatten im Verband transparenter und verständlicher machen.
Unsere politischen Grundsätze
Wir verstehen uns als Marxist:innen. Der Marxismus ist für uns keine Geheimlehre, die Antworten auf alle Fragen des Denkens bietet, sondern eine politische Zielsetzung und eine strategische Richtschnur. Das Ziel des Marxismus ist es, "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen" ist. Dafür strebt der Marxismus den Umsturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und den Übergang zu einer sozialistischen Gesellschaft an, in der Wirtschaft bedürfnisorientiert organisiert wird und Menschen nicht mehr von abstrakten Marktgesetzen regiert werden, sondern ihr Schicksal gemeinsam selbst bestimmen können. Das marxistische Verständnis von Sozialismus ist ein radikal demokratisches und emanzipatorisches. Marxistische Politik richtet sich deshalb konsequent gegen jede Form von Unterdrückung und Ausbeutung.
Der Marxismus vereint dieses politische Ziel, den Sozialismus, mit einer politischen Strategie. Eine Strategie verstehen wir dabei als langfristige Konzeption, wie wir vom Status Quo zu der Welt, die wir uns wünschen, kommen, umfasst also sehr grundlegende Dinge und muss jeweils durch taktische Erwägungen ergänzt werden. Der Marxismus als politische Strategie verbindet dabei die sozialistische Vision mit der Auffassung, dass dieses Ziel nur durch die Selbstbefreiung der Arbeiter:innenklasse erreichbar ist. Die Befreiung aller Menschen ist dabei eng mit der Befreiung der Arbeiter:innenklasse verknüpft, da die Arbeiter:innenklasse durch ihre Stellung im Produktionsprozess die besten Möglichkeiten hat, den Kapitalismus zu stürzen. Der strategische Fokus auf die Arbeiter:innenklasse ist also die beste Wette, wie man aus dem Kapitalismus herauskommt. Dafür müssen wir Klassenmacht aufbauen, indem wir in Arbeitskämpfe unterstützend intervenieren und Massenorganisationen aufbauen, die als Wissensspeicher und Element der Kontinuität in Massenbewegungen dienen können.
Die Arbeiter:innenklasse ist dabei aber kein homogener Block von klassenbewussten, weißen, männlichen Industriearbeitern, die den ganzen Tag am Fließband stehen und nur auf die Revolution warten. Stattdessen ist sie vielfältig gespalten und getrennt, beispielsweise durch unterschiedliche Qualifikationen und unterschiedliche Rollen in der Produktion und der globalen Arbeitsteilung, aber auch durch die Trennung von körperlicher und geistiger Arbeit. Zahlreiche Mechanismen der Diskriminierung und Abgrenzung sind zwar nicht immer aus dem Kapitalismus heraus entstanden und allein mit diesem zu erklären, wirken aber durch ihre spalterische Wirkung systemstabilisierend. Mit diesen Spaltungslinien müssen Marxist:innen umgehen. Die internationale, multiethnische Arbeiter:innenklasse lag noch nie einfach fertig handlungsbereit vor, sondern muss durch politisches Handeln in gemeinsamen Kämpfen erst formiert werden.
Um die Welt ändern zu können, müssen wir sie verstehen. Deshalb ist für uns eine materialistische Analyse der Verhältnisse in der Welt entscheidend, damit aus Praxis keine Pseudopraxis wird und wir nicht in den Tretmühlen des Parlamentarismus stecken bleiben. Der Staat im Kapitalismus ist nicht der Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung, sondern ein untrennbarer Teil von ihr. Auch aufgrund der Rolle des Staats in der internationalen Staatenkonkurrenz lässt sich der Kapitalismus nicht durch ein kluges Regierungsprogramm überwinden, sondern nur durch den internationalen Aufbau von Gegenmacht. Ein zu unkritischer Blick auf Staat und Nation hat Linke historisch schon oft in Sackgassen getrieben.
Auf Grundlage dieser Analyse der Welt ist für uns eine materialistisch-feministische Position ausschlaggebend. Bei Feminismus geht es nicht nur um individuelles Verhalten, sondern um die radikale Veränderung unserer Gesellschaftsordnung. Das Patriarchat prägt die Funktionsweise des Kapitalismus entscheidend und gräbt sich tief in die Handlungsweisen der Menschen ein. Der Kampf gegen das Patriarchat und für die Befreiung von Frauen und Queers ist für uns untrennbar mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft verbunden und ist nichts, was nebenbei neben anderen Kämpfen läuft.
Was stellen wir uns für den Verband vor?
Das es ist linksjugend [‘solid] gibt, ist eine wichtige Errungenschaft: Sie hat es geschafft, Menschen aus ganz verschiedenen Hintergründen und Traditionen mit vielfältigen Schwerpunkten zu einem bunten Verband zu vereinen, der bundesweite Organisationsstrukturen besitzt und viele Menschen politisiert.
Als Verband stehen wir in einer Tradition, die den freiheitlichen und radikal demokratischen Charakter des Sozialismus stark betont, der Begriff der Basisdemokratie spielt eine große Rolle in den Dokumenten des Verbands. Wir finden es wichtig, dieses Verständnis mehr mit Leben zu füllen.
Demokratie verstehen wir als mehr als einfach nur ständig irgendetwas abstimmen. (Basis-)Demokratie heißt für uns, Kontroversen vernünftig auszudiskutieren und gemeinsam kontroverse Themen inhaltlich zu klären. Dafür braucht es mehr Raum für argumentative Auseinandersetzungen auf allen Ebenen, mehr Geduld bei Entscheidungsfindung und ein Verständnis dafür, dass theoretische Beschäftigung kein Privatvergnügen ist, sondern notwendig, um eine gemeinsame Debattengrundlage zu haben.
Wir müssen Konflikte stärker argumentativ, inhaltlich und transparent austragen, anstatt sie zu personalisieren, unter dem Teppich zu kehren oder in kleinen Gremien zu entscheiden.
Nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern auch innerverbandlich ist eine feministische Programmatik untrennbar mit der Politik, für die wir eintreten, verbunden: Auch bei uns gibt es sexistische Doppelstandards. Selbstbewusste Frauen und Queers geraten schnell unter Beschuss, wenn sie für ihre Positionen einstehen, Arbeit und Anerkennung sind ungleich verteilt und es bilden sich immer wieder Kreise heraus, in denen frauen- und/oder queerfeindliche Verhaltensweisen normalisiert sind. Solche Verhaltensweisen müssen kritisiert werden, dies allein aber reicht nicht: Als Verband müssen wir die Förderung von Frauen und Queers weiter stärken.
Warum wir uns vernetzen
Marxistische Positionen sind schon immer als prägender Einfluss in der linksjugend [‘solid]. Viel von dem, was wir hier schreiben, sind keine neuen Positionen; ein Großteil der Positionen, die wir formulieren, ist sogar schon länger Beschlusslage des Verbands. Trotzdem halten wir es für sinnvoll, uns zu vernetzen. Wir wollen uns dafür einsetzen, marxistische Prinzipien in der bisherigen Beschlusslage der linksjugend ['solid] zu verteidigen und weiterzuentwickeln, und vor allem dafür, diese Grundsätze stärker in eine gemeinsame, die verschiedenen Ebenen des Verbands inkludierende Verbandspraxis einfließen zu lassen.
Eine PDF-Version unserer Grundsätze findest du hier.