Priorisierung von Finanzausgaben und Notfallpläne
Die Wahlergebnisse der Linkspartei sind im historischen Vergleich niedrig. Dadurch verringern sich die finanziellen Mittel, die die Partei durch staatliche Zuwendungen erhält.
Zur ersten Tagung des XVII. Bundeskongress stellt das Marxistische Netzwerk den folgenden Antrag.
Die Wahlergebnisse der Linkspartei sind im historischen Vergleich niedrig. Dadurch verringern sich die finanziellen Mittel, die die Partei durch staatliche Zuwendungen erhält. Mittelbar sind davon auch wir als Jugendverband betroffen. Hinzu kommt, dass im Rahmen der allgemeinen Sparpolitik auch Kürzungen bei der Jugendverbandsförderung denkbar sind. Daher müssen wir gemeinsam Prioritäten für den Fall einer deutlichen Senkung der Einnahmen setzen.Politische Praxis benötigt fast immer finanzielle Ressourcen. Deshalb ist die Frage der Finanzen auch immer eine politische. Daher müssen wir uns auf eine Prioriserung der Ausgaben der Linksjugend ['solid] einigen.
Zuerst müssen wir die Posten priorisieren, auf die wir nur schlecht verzichten können. Das sind Ausgaben, die elementar für die Weiterentwicklung, die Arbeit und die Verbandsziele der Linksjugend ['solid] sind. Konkret sind das z. B. FLINTA-Personen zu stärken, Neumitglieder einzubinden sowie Bildung und Austausch.
Für die Weiterentwicklung sind unsere Bildungsveranstaltungen unverzichtbar. Darunter fallen die Winterakademie, Theorie ohne Männer und die Grundlagenseminare.
Für die bundesweite Arbeit der Linksjugend ['solid] ist unser Intranet und Veranstaltungen, die dem Socializing und Austausch dienen, wie z. B. das Sommercamp, das Verbandswochenende, der Bundeskongress und die Ermöglichung von BAK-Treffen essentiell. Um uns gemeinsam langfristig und nachhaltig organisieren zu können, müssen wir uns kennen, treffen, solidarisch diskutieren und ehrenamtliche Strukturen stärken. Um unser erworbenes Wissen zu nutzen, nach außen zu wirken und Unorganisierte zu aktivieren, brauchen wir starke Kampagnen.
Unsere Prioritäten liegen finanziell auf den folgenden Punkten:
- ehrenamtliche Strukturen
- Vernetzung und Austausch
- Präsenztreffen
- Kampagnen
Wie setzen wir Prioritäten in der Finanzplanung?
Wichtig ist hier zu beachten, dass wir noch nicht an dem Punkt sind, stark sparen zu müssen. Wenn wir bei guter Führung des Haushalts viel ausgeben, zeigt dies eine hohe Aktivität an, was gut ist. Insbesondere Gelder, die verfallen, sollten wir stets ausschöpfen. Zudem wirken sich die volle Ausschöpfung und Überziehung von Geldern, die verfallen, positiv auf Verhandlungen mit dem Mittelgeber aus, da dadurch signalisiert wird, dass die Mittel benötigt werden. Solange wir Fremdmittel erhalten, müssen wir an diesen nicht sparen.
Wichtiger ist, wie wir mit unseren Mitgliedsbeiträgen, also den Eigenmitteln, umgehen. Auch hier müssen wir aktuell noch nicht im höheren Ausmaß sparen. Allerdings ist es ratsam, jetzt bereits mit Blick auf die Zukunft an einigen Stellen zu sparen, da dies Gelder sind, die nicht verfallen. Im Folgenden möchten wir auch unterscheiden in Maßnahmen, die wir jetzt schon ergreifen können, um in Zukunft mehr Mittel zu haben, und in Maßnahmen, die nötig werden, falls Gelder wegfallen.
Die Linksjugend ['solid] hat in diesem Jahr ein starkes Mitgliederwachstum erfahren und es ist davon auszugehen, dass wir in Zukunft weiterwachsen. Das bringt das Luxusproblem mit sich, dass die Unterbringungskosten für unsere Veranstaltungen und Versammlungen immer höher werden. Da viele Mitglieder sich in Studium, Schule oder Ausbildung befinden, können die Mitgliedsbeiträge diesen Posten nicht kompensieren. Deshalb ist durch den Bundessprecher:innenrat zu prüfen, den Bundeskongress oder andere Großveranstaltungen in Schulen statt in teuren Jugendherbergen zu veranstalten. Darüber hinaus ist durch den Bundessprecher:innenrat zu prüfen, an Honoraren für Referent:innen auf Bildungsveranstaltungen zu sparen. In der Linksjugend ['solid] befinden sich bereits sehr viele, gut gebildete Genoss:innen mit qualitativ hochwertigen Vorträgen und Workshops. Es ist daher nicht notwendig, Personen mit hohem Bekanntheitsgrad mit teuren Honoraren anzufragen. Neben eigenen Genoss:innen können wir für Bildungsveranstaltungen auch auf eine ehrenamtliche gegenseitige Weiterbildung setzen, wie bspw. das bereits bestehende Train the Trainers-Format, oder parteinahe Ressourcen nutzen, wie z. B. die Rosa-Luxemburg-Stiftung und Refent:innen aus der Partei. So können wir auch mit kleinem Budget qualitativ hochwertige Bildung ermöglichen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem Umgang mit hauptamtlichen Stellen. Um zu verhindern, dass Angestellte des Jugendverbandes im Fall von Kürzungen spontan gekündigt werden, brauchen wir einen sicheren Plan für den Umgang mit Hauptamtlichen. Darüber hinaus braucht es für den Fall von Kürzungen einen Plan für die Überführung von Aufgaben an Ehrenamtliche, die bisher von Hauptamtlichen ausgeübt worden sind, um den Verband aufrecht zu erhalten.
Konkret stellen sich folgende Fragen:
Wie sichern wir unsere Hauptamtlichen ab und verhindern spontane Entlassungen? Welche Aufgaben der Hauptamtlichen können in Hände von Ehrenamtlichen gelegt werden?
Welche Aufgaben können nicht überführt werden und müssen zwingend bei Hauptamtlichen bleiben? Wie kann der Prozess der Überführungen von Aufgaben an Ehrenamtliche aussehen? Welche Ressourcen benötigen Ehrenamtliche, damit diese die ihnen übertragenen Aufgaben auszuführen können? Welche Strukturen für Ehrenamtliche können wir bereits aktuell schon anfangen zu schaffen und welche Skills müssen und können sich Ehrenamtliche dafür aneignen? Wie können wir unsere Hauptamtlichen bereits zum aktuellen Zeitpunkt entlasten und Stress reduzieren, sodass sie ihre Kernaufgaben erfüllen können und keine Überstunden anhäufen müssen?
Stellen, an denen man jetzt schon sparen kann, sind folgende:
- Neuregelung der Fahrtkosten: Fahrtkosten lassen sich zumeist nicht durch die Pauschalen decken und müssen mit Mitgliedsbeiträgen bezahlt werden. Immer wieder kommt es vor, dass Fahrkarten sehr kurzfristig oder sogar am Tag der Reise selbst gekauft werden, was die Kosten massiv erhöht. Daher sind die internen Richtlinien für die Erstattung von Fahrtkosten anzupassen: Mitglieder müssen Fahrkarten mindestens zwei Wochen im Voraus buchen. Werden diese kurzfristiger, ohne legitime Begründungen gebucht (ein legitimer Grund besteht etwa im Fall von Nachrücker:innen), wird nur eine Pauschale erstattet, die sich am Durchschnittspreis bei rechtzeitiger Buchung orientiert, nicht aber die Gesamtkosten.
- Auch ist zu prüfen, ob Landesverbände mit überdurchschnittlichen Finanzmitteln die Fahrtkosten ihrer Mitglieder übernehmen können. Dadurch können Mittel von finanzstarken Landesverbänden an den Bundesverband und an finanzschwache Landesverbände „umverteilt“ werden, um überall eine gute Verbandsaktivität zu garantieren.
- Big Blue Button oder andere kaum genutzte Anwendungen: Derzeit geben wir verhältnismäßig viele Mittel für Serverkosten aus, die nicht unbedingt sein müssten. Bspw. zahlen wir zurzeit für die Nutzung von zwei Videokonferenzanwendungen (Zoom und Big Blue Button). Die Nutzung von zwei Anwendungen, die die identische Funktion erfüllen, ist verschwenderisch. Darüber hinaus wird die Anwendung Zoom von den meisten Mitgliedern präferiert,, während das relativ teure Big Blue Button kaum genutzt wird.
- Honorare für Layout-Aufträge oder andere Aufgaben, die innerverbandlich übernommen werden können: Im Verband werden bereits aktuell viele Aufgaben von Ehrenamtlichen übernommen und die Mitglieder verfügen über viele wertvolle Skills und Kompetenzen, die genutzt werden können. Wir brauchen Externe nicht für Dinge zu bezahlen, die wir selbst können. Die Erwartungshaltung an das Ergebnis dieser derzeit extern vergebenen Aufgaben, wie bspw. Layout-Aufträge, ist dabei herunter zu schrauben. Wir sind ein Jugendverband, in dem sich Jugendliche und junge Erwachsene selbst organisieren. Wir brauchen nicht das professionellste Layout. Darüber hinaus müssen wir im Allgemeinen von einer Service-Mentalität abkommen, bei der die Erwartungshaltung besteht, dass alles durch bezahlte Hauptamtliche und Externe erledigt wird. Das, was ehrenamtliche Aktive selbst schaffen und produzieren, reicht i.d.R. völlig aus.
- Kosten für Veranstaltungsorte und Schlafplätze: Wegen unseres Mitgliederzuwachses nehmen die Kosten für Bildungsveranstaltungen zu. Um die Kosten zu reduzieren, können wir Veranstaltungen (abhängig von der Größe) auch in Parteibüros oder bei Partei- oder Verbandsgenoss:innen mit großen Immobilien abhalten. Auch ist zu prüfen, Teilnehmer:innen privat bei Genoss:innen oder Sympathisant:innen des Jugendverbandes oder der Partei unterzubringen (Bettenbörse). Dafür müssen wir bereits aktuell schon anfangen, Wissen über Ressourcen zu bündeln, etwa durch ein Mapping oder die Erstellung einer Datenbank über besonders günstige Veranstaltungsorte und Bettenbörsen. Bei zukünftigen Veranstaltungen sind Genoss:innen anzufragen, ob diese Schlafplätze zur Verfügung stellen können, ob diese lokale, günstige oder kostenlose Strukturen kennen und ob diese selbst über Immobilien oder Flächen verfügen.
- Verlagerung bestimmter Veranstaltungsformate auf die Landesebene: Mit hohem Aufwand organisierte Skillshare-Veranstaltungen sind sehr wertvoll, werden aber aktuell wenig besucht. Es ist zu prüfen, ob diese Art der Veranstaltung nicht praktischer, kosteneffizienter und besser besucht wären, wenn diese durch die Landesverbände organisiert werden würden.
Einnahmen erhöhen
Insgesamt ist zu konstatieren, dass im Verband zu wenig über Einnahmen gesprochen wird. Um Kürzungen zu verringern oder ggf. ganz zu vermeiden, ist es von hoher Bedeutung, die Einnahmen der Linksjugend ['solid] zu steigern.
Dafür gibt es viele, auch niedrigschwellige Möglichkeiten:
- Konzept für finanzielle Einnahmen: Wir benötigen ein verbindliches und kohärentes Einnahmekonzept, das regelmäßig evaluiert wird.
- Werbung für Fördermitgliedschaften: Auf Eigen- und Parteiveranstaltungen ist für Fördermitgliedschaften zu werben. Zielgruppe sind berufstätige Partei- und Verbandsgenoss:innen.
- Fundraising-Kampagnen und -Aktionen: Es gibt viele kreative Möglichkeiten, Einnahmen zu generieren, wie z. B. durch Solipartys oder durch eine verbandsinterne Kampagne zur freiwilligen Steigerung der Mitgliedsbeiträge nach dem Vorbild der Linkspartei (möglicher Slogan: „Ist es Dir den Euro Wert, Genoss:in?“).
- freiwillige Erhöhung des Beitrags: Auf jeder Veranstaltung, wie bspw. Landesvollversammlungen, ist bei Anmeldung abzufragen, ob die Teilnehmer:innen ihren Beitrag entsprechend der Beitragstabelle bereits entrichten und ob sie diesen freiwillig erhöhen möchten.
- Beitragsehrlichkeit: Insbesondere Landesverbände sollten dazu verpflichtet werden, darauf zu achten, dass Beiträge gezahlt werden. Aktuell ist zu beobachten, dass in Landesverbänden mit überdurchschnittlichen finanziellen Ressourcen Neumitgliedern zum Teil davon abgeraten wird, Beträge zu entrichten, weil die Landesverbände abhängig von der Mitgliederzahl staatliche Förderung erhalten. Damit muss Schluss sein und dieses Verhalten ist zu unterbinden! Dieses Verhalten ist unsolidarisch gegenüber dem Gesamtverband. Viele, vor allem Landesverbände im Westen, sind sehr stark auf die Mitgliedsbeiträge angewiesen. Denn diese sind meist die größte, wenn zwar nicht die einzige, Einnahmequelle. Weiterhin sollte natürlich die Möglichkeit bestehen, sich vom Beitrag befreien zu lassen.
Für die nahe Zukunft:
- Finanzen mehr politisieren! Finanzen sollten viel mehr im Verband diskutiert werden und nicht nur als verwaltende Schatzmeisterei-Aufgabe angesehen werden. Die Einführung neuer hauptamtlicher Stellen sollte im Verband, z. B. auf dem Bundeskongress, diskutiert werden.
- Unterstützung von finanziell schlecht gestellten Mitglieder im Bundessprecher:innenrat: Es ist zu prüfen, ob wir Mitglieder finanziell unterstützen können, die zwar große Lust hätten, im Bundessprecher:innenrat mitzuarbeiten, es sich aber nicht leisten können. Es wäre sehr wertvoll, finanziell schlecht gestellten Mitgliedern so die Möglichkeit zu geben, die Lohnarbeit zu reduzieren, um Zeit für das Gremium zu haben. Bereits 200 bis 300 Euro pro Monat würden es einem Mitglied ermöglichen, Zeit in den Verband zu stecken statt einen Mini-Job auszuüben. Dies kann eine sehr lohnende Investition für den Verband sein, die aber keine große Auswirkung auf den Haushalt hätte.
- Weitergabe von Wissen über die Finanzplanung: Bereits seit Längerem besteht die Praxis, dass die Schatzmeisterin / der Schatzmeister gemeinsam mit der Vorgängerin / dem Vorgänger den kommenden Haushalt plant und sich dabei am letzten Haushalt orientiert. Es ist zu prüfen, folgenden Grundsatz zu verankern: Die aktuelle Schatzmeisterin / der aktuelle Schatzmeister erarbeitet einen Vorschlag für den Haushalt der Nachfolge, sodass Erfahrungen mit der Finanzplanung besser weitergegeben werden können.